Yolanda von Vianden

Erläuterungen

2. Zur Yolanda-Vita - Inhalt, Formales und Sprachliches

2.1 Inhalt
2.2 Formales
2.3 Sprachliches


2.1 Inhalt

Die Inhaltsangabe ist entnommen aus: Angela Mielke-Vandenhouten: Grafentochter - Gottesbraut. Konflikte zwischen Familie und Frömmigkeit in Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolande von Vianden (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 21). München 1998, S. 11-13. Diese Arbeit ist für alle wissenschaftliche Beschäftigung mit der Yolanda-Vita grundlegend und sowohl für den ersten historischen und literaturwissenschaftlichen Überblick als auch für tiefergehende Interpretationsansätze unverzichtbar.

Einleitung

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstand in der Umgebung von Luxemburg eine mittelhochdeutsche Dichtung, ein Epos von knapp sechstausend Versen, das vom "Leben der Gräfin Yolanda von Vianden", einer ortsansässigen Adeligen jener Zeit, handelt. Es handelt von den Kämpfen und Auseinandersetzungen, die Yolande in ihrer Familie durchzustehen hat, bevor man sie ihrem Wunsch gemäß Nonne in dem Dominikanerinnenkloster Marienthal werden läßt. Im einzelnen hat die Geschichte folgenden Hergang:

Erster Entschluß

Heinrich von Vianden und seine Frau Margarathe von Courtenay sind beide von hoher und edler Abstammung. Sie führen eine glückliche Ehe und haben bereits einige Kinder, als eine weitere Tochter, Yolande, zur Welt kommt. Das Mädchen von besonderer Schönheit und Liebenswürdigkeit, zeigt früh religiöse Neigungen und wehrt – zum Ärger ihrer Familie - bereits mit neun Jahren jeden Gedanken an einen weltlichen Bräutigam mit Bestimmtheit ab.

Mehrmals nimmt die Mutter sie mit zu Besuch in das Zisterzienserinnerkloster Salzines in Namur, wo eine Verwandte das Amt der Äbtissin innehat. Jedesmal verlangt Yolande, in das Kloster aufgenommen zu werden, doch wird ihr dies von Äbtissin und Mutter streng und unnachgiebig versagt.

Weltleben Yolandas und endgültiger Entschluß

Daraufhin lebt Yolande für eine Weile das fröhliche weltzugewandte Leben eines "normalen" Kindes. Schließlich begibt sich die Familie zu einem Treffen, um einen Bräutigam für Yolande auszusuchen. Während dieser Zeit empfängt die zurückgelassene Yolande auf der Burg ihrer Eltern zwei Dominikanerbrüder. Die Gespräche mit dem einen von ihnen, Walther von Meisemburg, rufen in ihr die frühere religiöse Bestimmung wach. Gleichzeitig wird sie sich der dadurch wieder zu erwartenden familiären Probleme bewußt. Trotzdem unterstellt Yolande sich schließlich der Führung des Dominikaners und bittet ihn, für sie ein Kloster auszuwählen. Er bestimmt ihr das noch nicht lange bestehende Dominikanerinnenkloster Marienthal, nahe bei Mersch und nur wenige Meilen von Luxemburg entfernt. Nach einer Weile der inneren Auseinandersetzungen entscheidet sich Yolande endgültig für Marienthal. Ein Fluchtversuch zusammen mit ihrer treuen Zofe Helswind [Heilewîf], erweist sich allerdings als unrealisierbar.

Der Bräutigam

Yolandes Eltern kehren von der Familienbesprechung zurück. Margaretha will ihrer Tochter von dem auserkorenen Bräutigam erzählen, doch Yolandes offenbart ihre religiöse Berufung und ihren festen Willen, niemals zu heiraten. Damit sind die Fronten geklärt, die zu einer langen Phase der Auseinandersetzungen führen. Es kommt zu immer heftiger werdenden Diskussionen zwischen Mutter und Tochter. Gleichzeitig versuchen auch andere, Yolande von ihrem Entschluß abzubringen: der Beichtvater der Mutter, zwei Kusinen, die beide Äbtissin sind, einer von Yolandes Brüdern und ein Franziskaner.

In allem Streit bleibt Yolande standhaft bei ihrer Entscheidung. Zwar muß sie sich schweren Herzens gewissen gesellschaftlichen Verpflichtungen beugen, doch nutzt sie jede Gelegenheit, um in Kontakt mit ihren geistlichen Beratern zu bleiben.

Flucht nach Marienthal

Bei einem Familientreffen in Münstereifel bitten Yolandes Eltern einen Neffen Heinrichs, Konrad von Hochstaden, den Bischof von Köln, um Hilfe , doch auch er vermag bei Yolande nichts auszurichten. Zwischenzeitlich hat sich Margarethe das Kloster Marienthal auf einer Fahrt nach Luxemburg angesehen und ist entsetzt über dessen unwirtliche Lage und armseligen Zustand. Als sie Yolande zur Abschreckung davon erzählt, bittet diese um die Gelegenheit, Marienthal selbst einmal sehen zu dürfen, da sie ja vielleicht der Mutter, folgen könne. Tatsächlich nimmt sie die Mutter auf einer weiteren Reise nach Luxemburg mit und fährt bei Marienthal an. Im Kloster angekommen, gelingt es Yolande, der Mutter zu entkommen, sich die Haare schneiden und das Ordensgewand anziehen zu lassen. Als die Mutter dies entdeckt, kommt es zu wütenden erst verbalen, dann handgreiflichen Auseinandersetzungen, vor denen Yolande sich zunächst in das Klosterinnere flüchten kann. Völlig verwirrt vor Zorn und Wut, reist die Mutter ab, um aber schon kurze Zeit später mit einigen Gefolgsleuten des Luxemburger Grafen wiederzukommen. Ihre Drohung, das ganze Kloster niederzubrennen, falls ihre Tochter es nicht freiwillig verlasse, veranlaßt die übrigen Klosterangehörigen, auch Walther von Meisemburg, Yolande um Nachgiebigkeit anzuflehen. Obwohl sie selbst durchaus bereit wäre, an Ort und Stelle für ihre Berufung zu sterben, gibt Yolande diesem Flehen schließlich widerwillig nach. Auf der Heimfahrt, die zunächst nach Luxemburg und dann nach Vianden führt, ist Yolande dem Hohn und der Verspottung ihrer Gefolgsleute ausgesetzt. Doch zuhause wird sie freudig empfangen, und namentlich der Vater zeigt, sehr zum Ärger der Mutter, eine rührende Wiedersehensfreude.

Der Konflikt geht weiter, auch als Yolande in ihrem Bruder Heinrich, der Domprobst in Köln ist, erstmals einen verständnisvollen Gesprächspartner findet.

Albertus Magnus

Die Familie begibt sich nach Schoenecken, wo Yolande auch bei der Frau von Hengebach, einer Begine aus Köln Verständnis findet, Albertus Magnus wird nach Schoenecken berufen, um als Friedensvermittler zu agieren. Nach einem Gespräch mit Yolande spricht er zu ihren Gunsten, findet mit dieser Ansicht aber kein Gehör. Nach einer weiteren Auseinandersetzung zwischen Yolande, ihrem Vater und einer der verwandten Äbtissinnen, sucht Yolande Albertus ein zweites Mal auf und bedrängt ihn solange, bis er nachgibt und sie in den Orden aufnimmt.

Nach der Abreise des Dominikaners und der Frau von Hengebach setzen die Vertreter der anderen Orden, Franziskaner und Zisterzienser(innen), Yolande verstärkt unter Druck. Die Situation spitzt sich zu, als Yolandes Verlobter sich genötigt sieht, auf die eingegangenen Verpflichtungen aufmerksam zu machen. Der hierdurch entfesselte Streit findet eine überraschende Entschärfung, als der Bräutigam die Verlobung seinerseits löst, um eine andere Verbindung einzugehen.

Yolande zieht sich soweit als möglich von der Welt zurück und wird umgekehrt auch von ihrer Umwelt weitgehend geschnitten. In einem plötzlichen Anfall von Versöhnungsbereitschaft erklärt die Mutter sich bereit, Yolande ins Kloster gehen zu lassen, allerdings nicht nach Marienthal. Yolande lehnt diesen Kompromiß ab. Der Zorn der Mutter bricht erneut aus, und schlimmer als zuvor. Bruder Heinrich der Domprobst, und der bischöfliche Vetter Konrad versuchen abermals, Frieden zu stiften, doch vergebens. Die Probleme konkretisieren sich ein weiters Mal, als die Hochzeit von Yolandes älterem Bruder ins Haus steht. Die Mutter kann Yolande überreden, sich für die Feier festlich schmücken zu lassen, doch als die neue Schwägerin nicht bereit ist, Yolande vom Hochzeitstanz zu befreien, bricht diese in einem Weinkrampf zusammen, so daß die Mutter sie widerwillig vom Fest entlassen muß. Die Festgesellschaft ist betroffen und bezieht für Yolande Position.

Aussöhnung mit der Mutter

Erneut werden Ordensleute herbeizitiert: ein Franziskaner macht einen weiteren Kompromißvorschlag, der wie alles andere abgelehnt wird. Schließlich erklärt die Mutter sich bereit, Walther von Meisemburg, der Yolande einst auf den geistlichen Weg zurückgebracht hatte, zu empfangen. Das mittlerweile Unglaubliche geschieht: Eine Unterredung mit dem Dominikaner veranlaßt Maragarethe zu Umkehr und Buße. Mutter und Tochter söhnen sich aus und die Mutter unterstützt fortan Yolande bei der Verwirklichung ihrer Berufung.

Auseinandersetzung mit dem Vater und Darbringung im Kloster

Doch das erweist sich als schwierig, denn wie einst die Mutter, so weigert sich jetzt der Vater energisch, dem Willen Yolandes nachzugeben und sich von der geliebten Tochter zu trennen. Abermals sind zahlreiche Diskussionen von Nöten, bis Heinrich schließlich, ohne Überzeugung und mit gebrochenem Herzen, nachgibt. Während die Mutter die Vorbereitungen für eine feierliche Überführung Yolandes ins Kloster trifft, findet eine letzte Unterredung zwischen Vater und Tochter statt, dann bringen die Eltern Yolande am Altar der Schloßkapelle Gott zum Opfer dar. Mit großem Aufwand, vergleichbar dem einer Hochzeit, wird Yolande nach Marienthal gebracht und dort mit zwei Freundinnen ein zweites Mal in den Orden aufgenommen. Yolandes weiteres Leben im Kloster ist geprägt von Gebet, Askese und karitativem Wirken. Mit dem Hinweis auf den Ruhm, den sie im Marienthaler Kloster einbrachte, endet die Dichtung mitten in einem Reimpaar.


2.2 Formales

In der Dichtung der mittelhochdeutschen Epoche wurden überwiegend Verse verwendet. So besteht auch das 'Leben der Gräfin Yolanda von Vianden' aus einfachen Zeilen mit alternierenden Hebungen und Senkungen, die durch paarweisen Reim miteinander verbunden sind. Im höfischen Vers, der auch der 'Yolanda' ihre metrische Form gegeben hat, sind vier Hebungen in vier Takten verwirklicht, die im 2/4-Takt zu lesen sind. Dabei können drei Grundtypen von Kadenzen unterschieden werden, die auch weiter ausdifferenziert werden können; vgl. Literaturangaben:

1. stumpf (x)|´xx|´xx|´-|´^^|
   
2. klingend (x)|´xx|´xx|´xx|´x^|
  (x)|´xx|´xx|´-|`x^|
   
3. voll (x)|´xx|´xx|´xx|´-|
  (x)|´xx|´xx|´xx|´xx|

Beispiel für einen Reimpaarvers mit voller, einsilbiger Kadenz:

1231

"ich |biden, |herze|suster,| dich,

1232

dat |du des |nyt en|heles| mich, [...]"

Der sogenannte "reine" Reim wurde von den höfischen Dichtern, also ab ungefähr 1170, eingeführt. Ihr großes Vorbild war Heinrich von Veldeke, der dies in seiner 'Eneit', einer Nachdichtung von Vergils 'Aeneis' zum ersten mal in einem deutschen Versroman konsequent verwirklicht hatte.
Dadurch, daß nur gleichlautende Silben reimen durften, kann anhand dieser Reime die vermutliche Lautung eines Textes in einem gewissen Maße rekonstruiert werden. Dies ist für die Analyse der Sprache des Mittelalters, die ja nur schriftlich, nicht aber mündlich überliefert ist, von großer Bedeutung.

Literatur zur Verslehre:

  • Erwin Arndt: Deutsche Verslehre: Ein Abriß. 13., bearbeitete Auflage. Berlin 1996.
  • Otto Paul/Ingeborg Glier: Deutsche Metrik. 9. Auflage. München 1970.
  • Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte mit Einschluß des altenglischen und altnordischen Stabreimverses. 2. Band. Teil III: Der altdeutsche Vers. 2., unveränderte Auflage. Berlin 1956. Unveränderter photomechanischer Nachdruck 1968. (= Grundriß der Germanischen Philologie 8/2).


2.3 Sprachliches

Sprachlich läßt sich das 'Leben der Gräfin Yolanda von Vianden' dem moselfränkischen Raum zuordnen, d.h. dem Gebiet zwischen der dorp/dorf-Linie oder "Eifelschranke" im Norden und der dat/das-Linie oder "Hunsrückschranke" im Süden.

Die folgende sprachliche Beschreibung orientiert sich an den Beispielen, die im kommentierten Textausschnitt enthalten sind:

Die zweite Lautverschiebung wurde im Mitteldeutschen nicht vollständig durchgeführt; es entstand der sogenannte "Rheinische Fächer". Der westgermanische Reibelaut b, der im Mittelhochdeutschen zu b verschoben wurde, blieb im Mitteldeutschen erhalten. In der 'Yolanda' wird dementsprechend in- und auslautend <v> bzw. <f> geschrieben. Beispiele hierfür sind bedru/ovet (V. 1229), geven (V. 1259), wîf (V. 1267), lîf (V. 1268). Das westgermanische /d/, das in der zweiten Lautverschiebung zu /t/ verschoben wurde, ist mitteldeutsch ebenfalls meist erhalten geblieben [und mit dem /d/ aus /d/ zusammengefallen], so in bedru/ovet (V. 1229), gedân (V. 1247), ungemu/ode (V. 1257).

Bei schwachtonigen Kleinwörtern wurde germanisch /t/ im Mittelfränkischen nicht verschoben, woraus sich Reliktwörter wie dat, wat, it, allet, dit usw. ergaben. Beispiele hierfür sind in V. 1232, V. 1235, V. 1245 zu finden.

Mitteldeutsch, besonders mittelfränkisch nach Vokalen wurden <e> und <i> als Längenbezeichnungen verwendet; bekannte Beispiele sind Ortsnamen wie Soest ([so:st]) und Troisdorf ([tro:sdorf]). Das <i>, das z.B. in woilde (V. 1265) oder ôich (V. 1268) vorkommt, ist daher nach Meinung der bisherigen Forschung als rein graphische Erscheinung zu werten und bezeichnet lediglich die Länge des vorhergehenden Vokals. Die neuere Forschung, vor allem Arend Mihm (Duisburg), nimmt allerdings mit guten Gründen auch eine mögliche qualitative Bedeutung dieser Graphien an.

Die sogenannte "neuhochdeutsche" Monophthongierung /ie/, /uo/, /üe/>/i:/, /u:/, /ü:/ fand im Mitteldeutschen bereits im 11. und 12. Jahrhundert statt. In der 'Yolanda' zeigt sich dies bei bru/oder (V. 1228) oder gu/odes (V. 1235). Dabei ist u/o nicht als Diphthong zu lesen; das superskribierte o ist vielmehr in den meisten Fällen ein rein graphisches Kennzeichen des langen u. Genaueres zu diesem Punkt läßt sich erst nach einer gründlichen Analyse der wiederaufgefundenen Handschrift M sagen.

Mittelfränkisch wurde /i/ zu /e/ und /u/ zu /o/ gesenkt; die Schreibung der entsprechenden Laute wechselt oft. Als ein Beispiel kann aus dem kommentierten Textabschnitt nunne (V. 1238) zitiert werden, doch verdeutlicht auch der Reim beku/ommen:vernommen (V. 89, 90) den Wechsel zwischen u und o.

Als eine weitere vokalische Besonderheit des Moselfränkischen gilt die Senkung von /iu/ zu /u:/, z.B. in ûch (V. 1251).

Die h-Pronomina sind bis heute in weiten Teilen des Moselfränkischen erhalten geblieben. In der 'Yolanda' fällt zunächst die Form her (V. 1230) auf; diese wird in der neueren Forschung nicht mehr als eine mitteldeutsche Kompromißform aus he und er, sondern als eine ältere, südliche Entwicklungsstufe des nördlichen he angesehen. Die h-Formen aus dem Bereich der Possessivpronomina, die in der 'Yolanda' ebenfalls zahlreich vertreten sind, werden auf den Einfluß des Niederdeutschen zurückgeführt: Darunter fallen die Formen hir (V. 1228), hin (V. 1266).

Auch die Verbalflexion unterscheidet sich von derjenigen des Normalmittelhochdeutschen: Die 1. Person Singular Präsens Indikativ zum Beispiel endet im Mittelfränkischen auf -en. Beispiele aus der "Yolanda" sind unter anderem ich biden (V. 1231), ich willen.


Weitere ausführliche Beispiele mit Verweisen auf Karten finden sich im systematisch kommentierten Textausschnitt .


Überblick über die Dialekt-Gliederung des deutschsprachigen Raums


Überblick über die westmitteldeutschen Dialekte


 
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